Tim Parks - Italien in vollen Zügen

Autor: Martin Martschnig am 6.02.2019

Buchvorstellung: Tim Parks - In vollen Zügen
DAS TICKET ZU GELEBTER ITALIANITÀ & MEHR 



In den 1990er Jahren verbrachte unzählige Stunden, Kilometer und Begegnungen in Zügen quer durchs Bel Paese. Für die Erkundungstouren auf der Suche nach Sprachschulen (für meine erste Reiseagentur namens "tuttolingua") gab es kein besseres Verkehrsmittel als die Züge der Ferrovie Statale. Ich musste ja stets ins Zentrum der Städte, wo ein Auto schon damals nicht der Weisheit letzter Schluß war. 

Zudem stand mir ein dichtes Verbindungsnetz zu günstigen Preisen zur Verfügung. Was will man mehr? Als Touristiker holte ich mir Anfang des Jahres immer das neue, im Umfang bibelartige Kursbuch der Ferrovie Statale, die damals sogar noch ein Büro in Wien unterhielten. Nach drei Jahren kannte ich die Zugnummern und dazügehörigen Strecken mehr oder weniger auswendig - was für eine Bewerbung bei "Wetten daß ...?" allemal gereicht hätte.

Von Wien über Villach nach Italien reisend, wurde man im Bahnhof von Tarvisio abrupt für zumindest 45 Minuten (meist etwas länger ...) entschleunigt, mussten doch die Lokomotiven wegen verschiedener Stromsysteme umgehängt werden. Je nach Tageszeit der willkommene Augenblick Zeit für Espresso oder Aperitivo in der Bar des Bahnhofs. Damit war man in Italien angekommen ...



Tim Parks ist zu dieser Zeit geographisch schon ein Stück weiter. Der in Manchester geborene Professor für literarisches Übersetzen lebt seit 1981 in in Verona und pendelt von dort wochentäglich nach Mailand auf die Universität ein. Es kann also gut sein, daß wir einmal im selben Zug saßen, was mir die Lektüre des Buches noch sympatischer machte. Fast schon nostalgisch machten mich seinen Aufzeichnungen aus den (vollen) Zügen auf Strecken, die ich nur zu gut kenne.

Seine scharfe und doch bereits italienisch weichzeichnende Beobachtungsgabe bringt dem Leser diesen alltäglichen Seelentransport im Pendlerformat näher. Titel dieses Kapitels "Der Zug der lebenden Toten" - damit ist alles gesagt. Für die Recherche wird er zum Reisenden, der sich die Aufgabe macht, Italien per Zug zu umrunden. Da kann man schon einmal mit den Regelungen des Ticketwahnsinns anecken, sich über die Bürokratie auf Gleisen wundern und Zeuge von großem Schauspiel mit Kleindarstellern werden. 

Ich erinnere mich liebend gerne an eine Fahrt von Rom Richtung Tropea, als eine Gruppe junger Männer im Gang vor den immervollen Abteilen Stellung bezog. 15 an der Zahl mit nur 12 (selbstverständlich vor der Abfahrt entwerteten) Tickets. Die Sparmaßnahmen dienten der Rücklagenbildung für Ausgaben während des zu besuchenden Auswärtsspiels der AS Roma in Napoli. Sobald der Kontrolleur kam bildeten sie eine Art Klumpen und übergaben dem Schaffner die ersten Tickets. Sobald die ersten drei durch waren, wurden die Tickets verdeckt nach hinten gereicht, während die Kontrollierten unaufflällig nach vorne weitergingen. Das Konzept ging auf, der kleine Trickbetrug gelang zur großen Erheiterung der eingeweihten Mitreisenden. 



Ähnliches kann auch Tim Parks zu berichten, wenn sich eine Dame auf der Fahrt von Mailand nach Florenz ticketlos über die Runden zu retten versucht. Im Süden dünnt das Netz merklich aus, was zu ganz anderen Geschichten führt. Oder die Überfahrt von Kalabrien nach Sizilien, wenn der ganze Zug auf die Fähre ein- und ausgeladen wird, oder ...

Tim Parks Italien in vollen ZügenEin Buch gefüllt mit einer wunderbaren Anekdotensammlung, das als gleisgebundener Giro d`Italia daherkommt. Eine sorgsam erstellte und grandios formulierte Sozialstudio als Reiselektüre eines in Italien verliebten Engländers - unterhaltsam und kurzweilig, wie eine Zugfahrt in Italien!



Tim Parks
Italien in vollen Zügen
Goldmann Verlag
Taschenbuchausgabe Juli 2018


Website Tim Parks:
www.tim-parks.com


Kaufbar bei:
Im gut sortierten Buchhandel










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Mipiace.at Christoph Cecerle

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Christoph Cecerle macht vor keinem fahrbaren Untersatz halt und hält sich dabei ausnahmslos an italienische Fabrikate. Ob im Rennsportsitz eines Abarth, auf dem Sattel einer Moto Guzzi oder Vespa oder verdecklos im Cinquecento, der Mann testet alles, war zwei bis vier Räder hat.

Seine Testberichte sind derart genussvoll, daß ich nicht anders konnte, als ihn auf italissimo.at einzuladen. Wer mehr von ihm lesen will, dem sei sein Blog mipiace.at ans Herz gelegt, wo es auch schon einmal um Mode und Genuss im engeren Sinne gehen kann.

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„Bustine di Minerva" hieß Umberto Ecos langjährige Kolumne und frech strich Roland Graf die Göttin des Herdes und ersetzte sie für die neue „italissimo"-Kolumne durch den Gott des Rausches. 

Der Autor (im Bild von Ch. Barz vor den besagten Bustine abgelichtet) sagt damit gleich auch etwas über sich: Er ist studierter Philosoph und Philologe (daher die Eco-Hommage!), vor allem aber Reisender in Sachen Getränken. 

Stand zu Beginn vor allem die Berichterstattung über Winzer im Mittelpunkt, erweiterte sich der Schwerpunkt seiner Artikel - in „Mixology", „A la Carte", der ÖGZ sowie dem WIENER - auf die Themen Bier und Bars. 

Nachzulesen, neben dem Italien-Blog Ihres Vertrauens, ist das auch alle zwei Tage aktualisiert unter www.trinkprotokoll.at.