Irene Coticchio im Gespräch über ...

Autor: Martin Martschnig am 20.11.2024

Interview mit "Zuagrastn" - Teil 2
IRENE COTICCHIO IM GESPRÄCH

 

Was führte Dich nach Wien bzw. seit wann lebst Du hier?
Ich wohne seit ca. 25 Jahren in Wien, ein Mix aus Zufall und Neugierde hat mich in diese Stadt geführt. Schon während meines Studiums (Sprachen und Literatur) in Palermo widmete ich mich der Musik und dem Theater, war Teil einer Tanztheatergruppe. Der Direktor dieser Gruppe übersiedelte nach Wien und war von der Stadt begeistert. Am Ende meines Studiums machte er mir Mut, versicherte mir, dass diese Stadt viele Möglichkeiten eröffnen würde. Um ganz ehrlich zu sein, mein Traum war London. Wien war so gar nicht auf meinem Radar, aber ich dachte mir: warum nicht der Sache eine Chance geben?

Bis zu diesem Zeitpunkt führten mich kurze Aufenthalte nach London, Barcelona und Berlin, doch kehrte ich immer wieder nach Hause zurück. Und so war es Wien, dass mir in der Tat die Möglichkeit gab, die Kombination aus meinen beiden Passionen Theater & Tanz mit dem Unterrichten der Italienischen Sprache zu kombinieren.


Woher kommt die Liebe zur Musik und vor allem jene zum Tanz?

Fremdsprachen, Literatur, Theater, Gesang und Tanz sind für mich immer Teile eines Ganzen, handelt es sich dabei doch um Interessen, die sich gegenseitig beeinflussen, zumal sogar verstärken.

Meine Liebe zum Gesang begleitet mich schon von Kindesbeinen an. Ich konnte noch nicht lesen, da tat ich schon so, als würde ich aus einem Buch mit Liedtexten des Zecchino d‘Oro (ital. Version des Kiddy Contest) lesen - die ich bereits auswendig konnte.
Das Interesse für den Tanz kam als Jugendliche, als ich aufgrund meiner Körpergröße realisieren musste, dass es mit der Karriere als Basketballspielerin wohl nichts werden wird. 😆

Während des Studiums entdeckte ich schließlich das Theater für mich und begann in einer Theatergruppe der Universität mit englischsprachigem Schauspiel. Nach dem Abschluss des Studiums der in Palermo studierte ich Gesang und Theater in London.
In der Musik widmete ich mich als Sängerin in der Folge hauptsächlich der “Musica popolare” Süditaliens, daraus entstand das Interesse für volkstümliche Tänze wie die Tarantella.


Du hast in London Gesang & Schauspiel studiert, in Barcelona und Berlin gelebt. Ist das Interesse für die Musica popolare del Sud Italia bzw. Tänze wie die Tarantella in Wien leichter zu wecken, gibt es hier andere Anknüpfungspunkte?
Die Interessen meiner „SprachschülerInnen“ in Österreich umfassen – sofern ich das nach vielen Jahren als Sprachvermittlerin beurteilen kann – in Sachen Italien alles von Kultur über Musik bis hin zur Kulinarik.

Als Künstlerin und Interpretin der „Musica popolare“ Süditaliens bin ich von den Reaktionen der Besucher meiner Konzerte stets positiv überrascht und berührt. Trotz der für sie oft fremden Themen, Harmonien und musikalischen Grundlagen (und natürlich der Sprache, die selbst für Italiener schwer zu verstehen ist, da in Dialekt gesungen) bringen sie dieser Musik großen Enthusiasmus entgegen, fühlen sich in diese Welt mitgenommen und wirken oft tief bewegt.

Das Gleiche gilt für die Gesänge und Tänze der Tarantella. Zu meinen Workshops kommen sowohl Leute, die bereits in Sizilien und Apulien waren und sich dort in diese doch recht exotisch anmutende Musik verliebt haben, als auch jene, die keine konkrete Idee oder Vorstellung in Sachen Tarantella haben – umso neugieriger auf diese Erfahrung sind.
Es mag für sie ein wenig wie die Reise Goethes in den Süden Italiens sein, als er sich erstmals ergriffen staunend in Zitronen- und Feigenhainen wiederfand. Mit dem kleinen Vorteil, diese Erfahrung für eineinhalb Stunden in Wien machen zu können.


Ich vermittle ja bereits seit 1991 Sprachreisen nach Italien. Neben den Fragen zu Kursen und Unterkünften, kommt von meinen Kunden immer auch die Frage, was aus der regionalen Küche man den unbedingt vor Ort kosten muss.
Kurzum: Gibt es ein Lieblingsgericht aus Deiner Heimatregion, dass Du vielleicht mit Deiner Kindheit verbindest?
Also, erst einmal die Arancine (oder Arancini, je nach Region in Sizilien), die vor allem durch eine Geschichte von Andrea Camilleri, „Gli arancini di Montalbano“, berühmt geworden sind, praktisch das sizilianische Street Food, zusammen mit Pane e panelle (eine Art frittierte Kichererbsen Pfannkuchen). Ich habe sie geliebt und liebe sie immer noch, sie waren die typische Jause in der Schulpause. Und dann Pasta mit wildem Fenchel und Sardinen und Pasta alla Norma, mit Auberginen und gesalzenem Ricotta-Käse. Das sind die Dinge, die ich unbedingt essen muss, wenn ich nach Sizilien zurückkehre, und die ich immer empfehle zu probieren. 

Weihnachten steht vor der Tür, da kommt es unweigerlich zur „Panettone-Frage“! Auf Sizilien spielen u.a. die Pistazien aus Bronte eine gewisse Rolle, wie auch cremig-süße Füllungen und Glasuren. Im Norden hingegen findet man oft Mandeln, Muskattrauben neben Arancini & Co. Gab es in Deiner Familie diesbezügliche Vorlieben oder war ein ganz anderes Gebäck für Weihnachten typisch?
Obwohl der Panettone ursprünglich aus Mailand stammt, ist er von den Weihnachtstischen in ganz Italien nicht wegzudenken. Das traditionelle Rezept besteht aus Mandeln und Sultaninen, obwohl beides typische Produkte des Südens sind, insbesondere Mandeln. Die Version mit Pistaziencremefüllung ist eine recht neue Erfindung, die aber in letzter Zeit sehr beliebt geworden ist. In Sizilien gibt es keinen traditionellen Weihnachtskuchen. Bei uns gab es schon immer den traditionellen Panettone, aber auch den Pandoro. Auch dieser war ursprünglich ohne Füllung, heute gibt es die fantasievollsten Füllungen. 


Kannst Du uns vielleicht noch eine Tradition rund um Weihnachten oder für den Jahreswechsel auf Sizilien verraten, die unsere Leser italiengestimmt in die Vorweihnachtszeit trägt?
Unbedingt! Die “Novena di Natale”! Die Novena ist in Sizilien eine Tradition, die in den neun Tagen vor Weihnachten gefeiert wird. Sänger und Dudelsackspieler tragen vor Krippen, Votivaltären und Heiligtümern traditionelle Lieder in Mundart vor, und das Repertoire erzählt die Ereignisse der Geburt des Kindes sowie die Reise Marias. Ich erinnere mich, dass ich als Kind sehr aufgeregt war, wenn ich den bezaubernden und geheimnisvollen Klang des Dudelsacks auf der Straße hörte, der mich sofort in die Weihnachtsstimmung versetzte. Es wird auch in den Kirchen gesungen, außerhalb der Gottesdienste, und ist eine Art des Beisammenseins und der gemeinsamen Feier des Weihnachtens.


Danke für das Gespräch und die damit verbundene kleine Reise in den Süden Italien und nicht zu vergessen: BUONE FESTE!

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Roland Graf im Blog auf italissimo- Bustine del bacco

Bustine di bacco

„Bustine di Minerva" hieß Umberto Ecos langjährige Kolumne und frech strich Roland Graf die Göttin des Herdes und ersetzte sie für die neue „italissimo"-Kolumne durch den Gott des Rausches. 

Der Autor (im Bild von Ch. Barz vor den besagten Bustine abgelichtet) sagt damit gleich auch etwas über sich: Er ist studierter Philosoph und Philologe (daher die Eco-Hommage!), vor allem aber Reisender in Sachen Getränken. 

Stand zu Beginn vor allem die Berichterstattung über Winzer im Mittelpunkt, erweiterte sich der Schwerpunkt seiner Artikel - in „Mixology", „Cigar Journal", der ÖGZ sowie dem FALSTAFF - auf die Themen Bier, Spirituosen und Bars. 

Nachzulesen, neben dem Italien-Blog Ihres Vertrauens, ist das auch alle zwei Tage aktualisiert unter www.trinkprotokoll.at.

mipiace.at

Mipiace.at Christoph Cecerle

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Christoph Cecerle macht vor keinem fahrbaren Untersatz halt und hält sich dabei ausnahmslos an italienische Fabrikate. Ob im Rennsportsitz eines Abarth, auf dem Sattel einer Moto Guzzi oder Vespa oder verdecklos im Cinquecento, der Mann testet alles, war zwei bis vier Räder hat.

Seine Testberichte sind derart genussvoll, daß ich nicht anders konnte, als ihn auf italissimo.at einzuladen. Wer mehr von ihm lesen will, dem sei sein Blog mipiace.at ans Herz gelegt, wo es auch schon einmal um Mode und Genuss im engeren Sinne gehen kann.