Elisabetta De Luca - Neapel abseits der Pfade

Autor: Martin Martschnig am 3.12.2019

Buchtipp:
Elisabetta De Luca - Neapel Abseits der Pfade
BERICHTE AUS DEM SCHMELZTIEGEL



Mit Elisabetta De Luca holt sich der Braumüller Verlag eine Autorin an Bord, die - wie schon Wolfgang Salomon in Venedig und Triest - Geschichte und Geschichten einer Stadt im südlich stimmenden Wellengang zu schaukeln weiß. Sie begibt sich "Abseits der Pfade" nach Neapel, um den Reisenden einen genüsslichen, mit Anekdoten aus Kindheit bis Gegenwart gespickten Weg durch Ihre Geburtsstadt zu entwerfen.

Das Wort Entwurf kann man hier als bewußt gewählt betrachten, da die hohe Kunst der Improvisation dem Neapolitaner über Jahrhunderte hinweg ein Überleben in seinen Tradtionen sicherte. Nix is fix als Leitfaden, möchte man fast sagen. Außer vielleicht die Tatsache, daß eine gute Mahlzeit in Gesellschaft immer wichtiger sein wird als alles was im fernen Rom beschlossen werden möge. Man hat in dieser Stadt das Leben zu Gast am Tisch, nicht so sehr die Vernunft, die Regeln oder gar die Einschätzungen der Politik.



Elisabetta De Luca nimmt einen mit auf eine Tour durch ihr Neapel. Wobei das Wort Tour ihrem Anliegen nicht genügt. Sie öffnet Tore und bittet den Portiere, den hier noch allgegenwärtigen Hausmasta, auf die Schätze ihrer Kindheit aufzupassen. Einzeln nimmt sie liebgewordene Erinnerungen aus dieser sehr persönlichen Schatztruhe, entstaubt sie und erklärt uns deren Bedeutung.

So entwirft sie ein prächtiges Gemälde und Wimmelbild in einem. Nichts ist zu groß oder zu banal in dessen Bedeutung. Sei es ihre Verehrung für die hohe Kunst des Volkschauspielers Totò, der es mit seinen Filmen zu Bekanntheit weit über die Grenzen Italiens hinaus brachte. Oder für Luciano de Cresenzo, der die Seele dieser Stadt so vortrefflich in Worte zu verpacken wußte. Mal geht es um den Dialekt und die Sprache der Gesten, deren Ursprung sie im Wesen einer Hafenstadt sieht, wo Menschen aus aller Herren Länder die Hände als gemeinsamen Sprachnenner begreifen.



Großartig auch die Erzählung, wie sie mit Ihrem Vater einmal pro Jahr aufs Land zum Olivenbauer fuhr, um den Olivenölvorrat für ein Jahr auszuverhandeln und nach Hause zu bringen. Man lernt aber auch, warum die Mailänder lieber duschen, während die Neapolitaner ein Bad bevorzugen. Es geht in diesem Buch - anders als bei meinem zuletzt empfohlenen Buchtipp Kochen wie in Neapel - um Seele und Herz einer Stadt, um dieses Wechselspiel aus Melancholie und Lebensfreude. Anders gesagt: was dem Wiener der Komet vom Lumpazivagabundus, das ist dem Neapolitaner die Anwesenheit des Vesuv.

Den Unterschied macht vielleicht das Meer aus. So erzählt sie von einer Begebenheit in Wien - wo die Autorin aufwuchs und lebt, ohne gezwungermaßen eine einzig mögliche Heimat zu nennen - als Sie einen Neapolitaner auf der Straße traf. Dieser fand Wien und seine Kultur wunderschön, doch blieb die Frage, wie man ohne Meer überleben kann?

Fazit: Ein Stadtportrait, das in vielen Passagen durch die Familienbrille betrachtet sein mag, die aber niemals rosa wirkt. Eine Anleitung zum Grundverständnis des Wesens der Neapolitaner, eine Einladung zum Besuch einer anderen, südländischen Realität in unserem an Unterschieden so reichen Europa. Für mich eine Bestätigung meiner These, daß Neapel "Italien für Fortgeschrittene" ist.


Elisabetta De Luca
NEAPEL - ABSEITS DER PFADE
Braumüller Verlag

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Elisabetta De Luca Neapel abseits der Pfade


Fotoquelle / -rechte:
Elisabetta De Luca

Reisetipp:
Wer Neapel mit ganz persönlichen Einblicken bereisen und zudem etwas für seine Italienischkenntnisse tun möchte, für den finden sich in meinem Sprachreiseprogramm die dazu passende Reiseidee ...

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Christoph Cecerle macht vor keinem fahrbaren Untersatz halt und hält sich dabei ausnahmslos an italienische Fabrikate. Ob im Rennsportsitz eines Abarth, auf dem Sattel einer Moto Guzzi oder Vespa oder verdecklos im Cinquecento, der Mann testet alles, war zwei bis vier Räder hat.

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Der Autor (im Bild von Ch. Barz vor den besagten Bustine abgelichtet) sagt damit gleich auch etwas über sich: Er ist studierter Philosoph und Philologe (daher die Eco-Hommage!), vor allem aber Reisender in Sachen Getränken. 

Stand zu Beginn vor allem die Berichterstattung über Winzer im Mittelpunkt, erweiterte sich der Schwerpunkt seiner Artikel - in „Mixology", „A la Carte", der ÖGZ sowie dem WIENER - auf die Themen Bier und Bars. 

Nachzulesen, neben dem Italien-Blog Ihres Vertrauens, ist das auch alle zwei Tage aktualisiert unter www.trinkprotokoll.at.