Folge 7 - Das Erbe der Marchesa: Piemontesische Jahrgangsgeschichten

Autor: Roland Graf am 29.09.2017

Bustine di Bacco - Herrn Grafs italienische Trinknotizen
FOLGE 7 – DAS ERBE DER MARCHESA: PIEMONTESISCHE JAHRGANGSGESCHICHTEN

Max Trauttmansdorff und die Wein von Marchesi Alfieri

Als man 2011 daran ging, ein neues DOC-Gebiet im Piemont für Arneis (weiss) und Nebbiolo (rot) zu schaffen, kam für die Winzer-Gemeinden, die sich auf die Bezirke Asti und Cuneo verteilen, bald der Name „Terre Alfieri" auf. Die Markgrafen Alfieri prägten nämlich nicht nur Italiens Geschichte – Marchese Cesare war Premierminister des Königreichs Sardinien – und Kultur (vor allem der Barock-Architekt Benedetto Innocente Alfieri und sein Neffe, der Dramatiker Vittorio Alfieri). Auch der Weinbau wird in San Martino Alfieri seit 1696 betrieben. Doch die Hommage in Form der Herkunftsbezeichnung gilt einem erloschenen Geschlecht. Die Weine der „Marchesi Alfieri" allerdings erfreuen sich internationaler Beliebtheit, woran ein Österreicher wesentlichen Anteil hat: Max Trauttmansdorff.

Er kam über seine Frau auf das zuletzt der Familie San Martino di San Germano gehörende Weingut im Piemont. Und er ist es auch, der im Wiener Italien-Genusszentrum Buongustaio den ersten Wein der „Terre Alfieri" einschenkt. Die letzte Marchesa blieb unverheiratet und war in der Region eine bekannte Persönlichkeit, die man „la tota" („das Fräulein") nannte. Ihr zu Ehren hat man auch einen 100%-igen Barbera des Hauses mit diesem Namen versehen. Diese „La Tota" duftet 2015 nach Veilchen, Wildkirsche und Lakritze. Damenhaft zart sind auch die Aromen dieses Barbera, der in der Nähe von Alba auf Sandboden reifte. Ribisln, Graphit, dazu etwas Lakritze und ein insgesamt kühler Zug machen ihn zu einem perfekten Tischwein. Gerne etwas kühler servieren – wenn es denn der 2015er ist. Denn bei Alfieri lässt man die Jahrgangsunterschiede zu.

Weine von Marchesi Altieri Piemont

La Tota 2015/2013: Das „Fräulein" errötet nicht immer gleich
Bleiben wir bei diesem Gedanken. Wichtig ist den Besitzern, dass eines nicht passiert: Barberas und Nebbiolos auf Gleichförmigkeit zu trimmen und ihnen wie Prokrustes ein geschmackliches Korsett überzustreifen, das unabhängig vom Witterungsverlauf dann mitunter mächtig zwickt. Weil, wo keine (natürliche) Säure da ist, die Weine zu breit werden oder im anderen Jahresklima-Fall zu viel Regen zu Tricks zwingt, die Frucht aus dem Fass zaubern wie anderswo die Karnickel aus dem Zylinderhut. Da sei der Graf vor! Wein von den 23 Hektar der Marchesi Alfieri ist immer ein kultiviertes Naturprodukt. Dessen Rahmen aber die Rebe absteckt, nicht die Kellertechnik. Das nächste Glas – und so kam es ja zu diesem Exkurs in Sachen Jahrgangscharakter – etwa bringt den 2013er Barbera zur Verkostung.

Das heißere Jahr liefert einen Wein, der bereits mit seinem Geruch weitaus reifer daher kommt als der „La Tota" 2015: Hollerkoch, Maulbeere, Zwetschken und Brombeere fallen alle in die Richtung „reife, dunkle Frucht". Und genauso verhält es sich auch am Gaumen. Der saftige Wald-Fruchtmix, in Italien gerne als „frutti di bosco" beschrieben, ist hier von Anfang an da. Rund und mit deutlich weniger Gerbstoff als der jüngere Barbera, kommt hier auch mehr Süße durch, das „kirschige" macht die Räume dann aber wieder eng. Es ist übrigens der wichtigste Wein des Guts, von den 150.000 Flaschen entfallen 80.000 - 90.000 auf die Markgräfinnen-Hommage.

Barbera-Seligkeit, limitiert auf 3000 Flaschen: Alfiera 2015
Ganz anders als der „La Tota" zeigt sich dann ein anderer 2015er Barbera d'Asti. „Viel zu wenig Flaschen" gäbe es leider von diesem Wein, der – Spoiler-Alarm! – eine echte Überraschung darstellt. Der „Alfiera Superiore" Er ist nämlich trotz seiner langen Fasslagerung und intensiveren Machart beinahe schon zugänglicher als der „einfachere" Barbera. Wie nicht anders zu erwarten, bringt der jugendliche Wein intensive Röstaromen – Rum und Speckpflaume – mit im Duft. Bestes Traubenmaterial (und da nur 1,5 Kilo pro Stock, eine in Italien nachgerade lächerliche Ausbeute) hat die über ein Jahr währende Phase im Barrique sowie die obligate Flaschenreife-Phase gut genützt:

Doch da ist noch mehr: Vanille, schwarze Nüsse, aber auch ein verhaltener Walderdbeer-Kirsch-Mix kitzeln die Nase. Überraschend zugänglich zeigt sich der „Superiore" dann aber am Gaumen. Zunächst steckt er den hohen Alkohol – 15%! – locker weg, zu keiner Phase des Trinkverlaufs wirkt er brandig. Dafür kommen satte Beerentöne durch: Holunder und Brombeere werden aber von einer stützenden Säure begleitet, die dem nach allen Parametern mächtigen Wein einen schönen Trinkfluss verleihen. Die sechs-wöchige Grün-Lese, von der Max Trauttmansdorff berichtet, zahlte
sich hier definitiv aus.

Verkostung Weine Marchesi Alfieri

Ein Aquarell, mit Nebbiolo gemalt: Costa Quaglia 2014
Doch das Piemont ist Nebbiolo-Country – und so wechseln wir zum „Costa Quaglia", der diese Rebsorte in der Alfieri-Interpretation vorstellt, für die Önologe Mario Olivero verantwortlich zeichnet. Hier hat Trauttmansdorff-Weinsberg den Jahrgang 2014 mitgebracht, der im kühlen Jahr gelesen, auch hellfärbiger ausgefallen ist. Doch auch ein Wein-Buch sollte man nicht nach dem Cover beurteilen. Der pfeffrig duftende Nebbiolo bringt eine an frisches Blut erinnernde kühl-metallische Note mit, die sich entfernt mit Kochschokolade verbinden lässt (wenn man „Blut" ungern in Kostnotizen liest). Kirschenduft rundet diese Melange ab.

Der „Costa Quaglia" beginnt im Mund ganz sanft; erst mit der Zeit kommen die Beerentöne durch. Himbeeren kann man abhaken, die sind gleich zu erkennen. Dann gesellen sich Johannisbeeren in den immer leicht flirrende-ätherischen Aromabogen, den ein wie aquarelliert-hingetupftes Tannin ergänzt. Es ist ein filigraner Wein, den man aber nicht unterschätzen sollte. Viel Würze haben die Nebbiolo-Reben in diesem kühlen Jahr aus dem Boden gezogen. Herb und röstig klingt der 2014er Nebbiolo aus. Kaffee kommt im Rückaroma durch, nachdem er schon zuvor den Beerenmix mit immer mehr Würze beladen hat. Definitiv ein Wein für Kenner – und alle, die sanfte Rotwein-Töne in Italien mehr lieben als Fruchtbomben im Lederkleid der Fasslagerung.

„Leider ausverkauft", muss der Graf die Schultern zucken, als es um den „Costa Quaglia" 2011 geht. Der ist deutlich reifer als sein Cousin aus 2014, es duftet erdig und nach gekochten Früchten aus dem Glas. Rote Rüben, Erdbeere und – je mehr Luft der Piemonteser bekommt – auch Johannesbeere sorgen für einen fast schon Alfieri-typischen, einladenden Geruch. Dem saftigen Kostschluck folgt ein vollmundiges Gefühl von Fruchtsüße, doch hier geht nichts in die Breite. Nach wie vor ist das Tannin merklich und „das sechs Jahre nach der Lese!", staunt der „kindsmordende" Wein-Österreicher da. Ab der Mitte wandert man über eine ganze Wiese von kandierten Blüten (Veilchen vor allem); dieser würzige und zart herbe prädestiniert den „Costa Quaglia" als Begleiter zum Wildragout.

Wohl dem, der noch einen 2011er im Keller hat. Alle anderen sollten jetzt schon den 2015er vorbestellen. Da strahlt die Frucht wieder wie beim 2011er – persönlich allerdings bunkern wir einmal den 2014er, die Wahl für Freunde der Piemonteser Eleganz.

Wo bekomme ich die?
Buongustaio, 1010 Wien, Singerstraße 13
Miller-Aichholz, 1040 Wien, Favoritenstraße 22

Glasweise in der Spezerei, Karmeliterplatz 2, 1020 Wien
Online in Wagners Weinshop

 

Sollte Ihnen nun nach einer Reise zu diesen Weinen & deren Winzer sein ...

 

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Christoph Cecerle macht vor keinem fahrbaren Untersatz halt und hält sich dabei ausnahmslos an italienische Fabrikate. Ob im Rennsportsitz eines Abarth, auf dem Sattel einer Moto Guzzi oder Vespa oder verdecklos im Cinquecento, der Mann testet alles, war zwei bis vier Räder hat.

Seine Testberichte sind derart genussvoll, daß ich nicht anders konnte, als ihn auf italissimo.at einzuladen. Wer mehr von ihm lesen will, dem sei sein Blog mipiace.at ans Herz gelegt, wo es auch schon einmal um Mode und Genuss im engeren Sinne gehen kann.

Bustine di bacco

Roland Graf im Blog auf italissimo- Bustine del bacco

Bustine di bacco

„Bustine di Minerva" hieß Umberto Ecos langjährige Kolumne und frech strich Roland Graf die Göttin des Herdes und ersetzte sie für die neue „italissimo"-Kolumne durch den Gott des Rausches. 

Der Autor (im Bild von Ch. Barz vor den besagten Bustine abgelichtet) sagt damit gleich auch etwas über sich: Er ist studierter Philosoph und Philologe (daher die Eco-Hommage!), vor allem aber Reisender in Sachen Getränken. 

Stand zu Beginn vor allem die Berichterstattung über Winzer im Mittelpunkt, erweiterte sich der Schwerpunkt seiner Artikel - in „Mixology", „A la Carte", der ÖGZ sowie dem WIENER - auf die Themen Bier und Bars. 

Nachzulesen, neben dem Italien-Blog Ihres Vertrauens, ist das auch alle zwei Tage aktualisiert unter www.trinkprotokoll.at.