Zwei reife Brüder bei der Reifeprüfung am Dach

Autor: Martin Martschnig am 6.06.2017

Prosciutto di San Daniele & Grana Padano zu Gast in Wien
ZWEI REIFE BRÜDER BEI DER REIFEPRÜFUNG AM DACH



Dieses Wochenende ist es wieder soweit, Freunde des luftgetrockneten Schweineschenkels pilgern zu Hauf nach San Daniele um dort bei der "Aria di San Daniele" vom 23. - 25. Juni scheibchenweises Prosciuttoglück zu erfahren. Schon ein paar Wochen davor luden die Konsortien Prosciutto di San Daniele und Grana Padano zum interaktiven Kochkurs mit Starkoch Frank Oehler ins Ristorante Settimo Cielo.

Will heißen, zwei Vorzeigeprodukte höchster Qualität, begleitet von einem Vorzeigekoch mit Phantasie und zeitgemäßen Bartschnitt in einer Vorzeigelocation über den Dächern Wiens mit Stefansdomblick. Fehlte nur noch der ansonsten omnipräsente Dompfarrer Toni Faber, unser Innenstadt-Don Camillo mit Seitenblicke-Affinität. Da es sich aber um eine Einladung für Mitglieder der schreibenden und klickenden Zunft handelte, durften wir uns ganz den irdischen Genüssen widmen.

Was macht ein auf entspannte Sterneküche (ein Credo seiner Wirkensstätte "Speisemeisterei" im Schloss Hohenheim bei Stuttgart) spezialisierte Koch aus diesen beiden Reifebrüdern von Kuh und Schwein? Zu allererst schnippelt er einmal gekonnt per Hand von der Keule, damit man den Geschmack des Friauls auf die Spur kommt um kurz danach mit käsemessergebrochenen Stücken Grana Padano in verschiedenen Reifegraden gaumenfreudig Richtung Veneto weiterzureisen.

Derart erstversorgt gibt es ein paar Zahlen, die hier nur kurz angerissen sein wollen oder auch als Textaufgabe für die nächste Zentralmatura im Fach Mathematik zweckentfremdet werden können. 4,8 Millionen Laibe wurden zuletzt vom Grana Padano abgesetzt (Österreich firmiert in der Länderstatistik auf Platz 9 - wir sind also wieder einmal unten den Top Ten dieser Welt!). In 9 bis 20 Monaten werden aus 15 l Milch ein 1 kg gereifter Käse. Die Schweinderl für den Prosciutto di San Daniele haben zumindest 9 Monate und 160 kg am Buckel bevor ihre Keulen eingesalzen dem friulanischen Mikroklima für mindestens 13 Monate zugeführt werden. Matheprofs des Landes: machts was draus!



Aber genug der Zahlen - oder vielleicht noch eine und zwar die 4, den 4 Gänge wurden von Frank Oehler für diese Präsentation erdacht. Mutig bedient er sich zutatisch quer über den Alpenbogen, man wähnt sich fast in einem zutatenhaften Mitteleuropa. Er startet mit einem Orangen-Fenchel-Salat mit zweierlei Grana Padano und im Prosciutto gewickelten Grissini. Fesch und frisch, ein Intro das nach Sommer schreit und doch ganzjährig wünschenwert erscheint.



Was folgt ist ein Grana Padano Shake, schaumgeboren aus Hühnerfond, Creme Fraiche, Sahne, Zitronenabrieb ... zu dem ein witzig gemachtes San Daniele Pommes mit frisch püriertem Pesto serviert wird. Könnte der Schlossküche als "Gruß aus der Küche" entstammen, was ich aber nachzufragen glatt vergessen habe.

Erwähnte ich zuvor die Alpenbogenüberspannung bei den Zutaten, so kommt diese nun auf den Teller. Gefüllte "Kräuterflädle" (er ist schließlich ein Schwabe!) mit Prosciutto, Frischkäse, Röstzwiebelpesto an Krautsalat und Grana Padano. Also eine Art gefüllte Palatschinke im Friaulformat, die aber im Beisein des Krautsalat geschmacklich zu überraschen wußte. Prädikat: Do schau her!



Der von den Damen beider Konsortien streng überwachte Koch schließt mit seiner Canneloni-Variante, die noch einmal die beiden reifen Brüder ins rechte Licht, bzw. die gerollte Pasta mit passenden Gefährten nach einem Backofenstopp auf unsere Teller bringt. Fazit an den Küchenchef: Ideenreichtum lohnt sich, Geschmäcker gehören zum Querdenken gebracht und der Wein dazu sollte aus der Herkunftsgegend sein, zwecks allumfassend italophiler Gaumenbenetzung.



Für mich ist es stets ein Vergnügen, derartige Eccellenze einmal anders gabeln zu dürfen. Verarbeitet wurden schließlich zwei Produkte, die nicht nur Lebensmittel, vielmehr Kulturgut sind und zurecht Stolz ihrer Region. Slower kann Slow Food nicht entstehen und daher halte ich beim Genuss dieser beiden reifen Brüder riechend und schmeckend inne und wünsche jedem, der nach Italien fährt die Möglichkeit des Besuchs eines kleinen Herstellers. Quasi als Beitrag zum so oft propagierten lebenslangen Lernen im kulinarischen Reiseformat.

Es war ein gemütlich vertratschter Abend über den Dächern Wiens mit zwei Gästen aus dem Süden am Teller, die zwar schon längst Teil unseres Alltags geworden sind, aber niemals als alltäglich verstanden werden sollten ...



Für all jene die dieses Wochenende nicht widerstehen können:
Weblink Schinkenfest - "Aria di San Daniele 2017"

Für all jene, die zum Genuss reisen wollen, des Lernens wegen ...:
Weblink Genussreisen 

 

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Mipiace.at Christoph Cecerle

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Christoph Cecerle macht vor keinem fahrbaren Untersatz halt und hält sich dabei ausnahmslos an italienische Fabrikate. Ob im Rennsportsitz eines Abarth, auf dem Sattel einer Moto Guzzi oder Vespa oder verdecklos im Cinquecento, der Mann testet alles, war zwei bis vier Räder hat.

Seine Testberichte sind derart genussvoll, daß ich nicht anders konnte, als ihn auf italissimo.at einzuladen. Wer mehr von ihm lesen will, dem sei sein Blog mipiace.at ans Herz gelegt, wo es auch schon einmal um Mode und Genuss im engeren Sinne gehen kann.

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„Bustine di Minerva" hieß Umberto Ecos langjährige Kolumne und frech strich Roland Graf die Göttin des Herdes und ersetzte sie für die neue „italissimo"-Kolumne durch den Gott des Rausches. 

Der Autor (im Bild von Ch. Barz vor den besagten Bustine abgelichtet) sagt damit gleich auch etwas über sich: Er ist studierter Philosoph und Philologe (daher die Eco-Hommage!), vor allem aber Reisender in Sachen Getränken. 

Stand zu Beginn vor allem die Berichterstattung über Winzer im Mittelpunkt, erweiterte sich der Schwerpunkt seiner Artikel - in „Mixology", „A la Carte", der ÖGZ sowie dem WIENER - auf die Themen Bier und Bars. 

Nachzulesen, neben dem Italien-Blog Ihres Vertrauens, ist das auch alle zwei Tage aktualisiert unter www.trinkprotokoll.at.